Die körperlich kranke Seele



Sowohl die Psychoanalyse wie auch die meditativen Verfahren stützen sich auf zwei – im Grunde genommen gleiche - Grundkräfte, -triebe, -prinzipien, die ich also in der 3. Person Singular das „STRAHLT“ (Es Scheint) und das „SPRICHT“ (Es Verlautet) nenne. Ein Philosoph würde sagen (und auch ein Psychoanalytiker drückt sich so aus): man muss sich die Dinge, die Welt so denken. So, dass sie wie aus diesem Dualismus aufgebaut sich darstellt. Nun aber werden wir aus der Psychoanalyse und den meditativen Methoden ein eigenes, neues Verfahren erstellen, das all diese theoretischen Schwierigkeiten vereinfacht und das uns die Dinge nicht nur so denken, sondern sie auch direkter, physisch näher, praktischer erfahren lässt.

Nunmehr jedoch – um wie gesagt in der Theorie nicht zu weit auszuufern - empfehle ich jetzt eine Vorübung der beiden angekündigten Übungen zu machen. „Radit“ heißt lateinisch STRAHLT, „Dicit“ SPRICHT. Wenn wir beide zu „Radicit“ zusammenziehen, haben wir zwar noch kein ganz echtes FORMEL-WORT (dessen Charakter besteht in einer wissenschaftlich präziseren und klaren Zusammensetzung), aber eine für den ersten Übungsschritt brauchbare Formulierung. Wenn man sich nun (evtl. mit geschlossenen Augen) hinsetzt, langsam, monoton und nur in Gedanken das „Radicit“ wiederholt und gleichzeitig ein bisschen darauf achtet, ob man etwas, das den Charakter des STRAHLT hat, wahrnimmt, wird man eine Entspannung, vielleicht sogar schon eine leichte Katharsis bemerken. Das langsame, monotone Wiederholen des „Radicit“ fördert den Rückzug nach innen und damit das Auftauchen der STRAHLT - Erfahrung, die nichts mit den Augen zu tun hat, sondern eben etwas mit dem unbewussten Körper-Bild. Das wird später noch ausführlicher erklärt werden, für den Anfang mag eine kleine Erfahrung genügen. Nach einiger Zeit macht man dann die gleiche Übung mit dem SPRICHT. Während man im Hintergrund noch langsam (evtl. mit kleinen Unterbrechungen) das „R-a-d-i-c-i-t“ wiederholt und die beginnende Katharsis spürt, achtet man darauf, etwas von der Art eines Tones, Klanges, Verlautens zu vernehmen (die Umgebung muss natürlich anfänglich ruhig sein), das von tief innen her zu kommen scheint. Auch hier stellt sich eine entspannende Konzentration ein und manchmal fließen die Übungen ineinander über (es gibt dann so etwas wie ein „wirkliches Radicit“, ein STRAHLT, das SPRICHT oder umgekehrt). All dies soll jetzt nicht weiter verwundern, sondern nur eine Ersterfahrung darstellen, um das Ganze der Analytischen Psychokatharsis auch von der Praxisseite her besser zu verstehen.

Verwendet man also in der Meditation Formulierungen, die sich am Rande der Sprachlichkeit bewegen und wissenschaftlich genau dem psychoanalytischen (besser noch: dem psychoanalytisch - linguistischen) Konzept entsprechen (die bereits erwähnten FORMEL-WORTE), kann man auch diesen noch restlichen Unterschied zwischen Psychoanalyse und meditativen Methoden vernachlässigen und überwinden. Denn letztlich besteht die „Gegenwärtigkeit“ des Meditations-Lehrers genau so wie die des Analytikers in erster Linie in der Struktur von etwas stark Symbolischem, Worthaften, Bedeutungsbezogenem. Der Lehrer ist nicht die Figur, die nur fertiges Wissen im Kopf hat. Er ist vielmehr – wie die Psychoanalytiker sagen – das „Objekt der Übertragung“, d. h. unbewusste Bedeutungen (Virtuelles) werden vom Schüler, Patienten, auf ihn übertragen und können so von ihm zur Deutung (Rhetorisches) gebracht oder gelenkt werden. „Objekt der Übertragung“ und „Deutung“ dieser Übertragung sind konzentriertestes Symbolisches, Signifikantes, Essenz des Worthaften, des SPRICHT, aber auch des Bildhaften, Virtuellen, das STRAHLT schlechthin. Sie sind nicht einfach nur Gegebenheiten, Figuren, Formen, sondern sind mit Bedeutung aufgeladen, so wie etwa in der Antike das Delphische Orakel. Dort konnte man an eine Priesterin (Objekt der Übertragung) eine Frage stellen, die dann mit einem kryptischen Satz (Deutung) beantwortet wurde. Und so ist es auch mit dem Lehrer in der Meditation: er gibt ein kryptisches Wort, gegen das man an-meditieren muss, um es aufzubrechen und mit eigenem Beitrag zu lösen. Den gleichen Vorgang nennt man in der Psychoanalyse das „Durcharbeiten“, was natürlich modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt (während das Delphische Orakel und auch die meisten Meditationstechniken mythisch aufgebaut sind).

Behandle Deine Mitmenschen als wären sie das, was sie sein sollten, und Du hilfst ihnen, das zu werden zu dem sie fähig sind.

Goethe

You are here: Home Natürliche Gesundheit Die körperlich kranke Seele