Yoga und Psychoanalyse

In diesem Buch werden die Beziehungen zwischen

Psychoanalyse und YogaYoga und Psychoanalyse anhand einer wissenschaftlichen Biographie über Kirpal Singh dargestellt. Kirpal Singh (1894-1974) war einer der bekanntesten Yogalehrer, Religionswissenschaftler und „Heiligen“ Indiens. Er hatte auch im Westen eine große Anzahl von Schülern. Mehrere Biographien sind erschienen, auch soziologische und philosophische Abhandlungen über den von Kirpal Singh praktizierten Surat Shabd Yoga. Dieser Yoga stammt aus einer alten vedischen Tradition und wurde vor etwa 200 Jahren von Shiv Dayel Singh modernisiert.

Der Yogi sollte nicht mehr Asket in den Wäldern sein, sondern einen bürgerlichen Beruf ausüben, Familie und Kinder haben und moderne wissenschaftliche Aspekte in seine Lehre mit einbeziehen. Kirpal Singh erreichte alle diese Anforderungen auf einem hohen Niveau, war lange Zeit Vorsitzender der „World Fellowship of Religions“ und gründete später ein internationales Forum für die verschiedensten sozialen, religiösen und wissenschaftlichen Gruppierungen.

Kirpal Singhs Surat Shabd Yoga hat auch Beziehungen zu dem wohl bekanntesten Yoga Patanjalis. „Yoga ist chit vritis nirodha“, Kontrolle von chit (Bewusstsein) und vritis (Schwingungen, Transformationen), was Kirpal Singh mit dem „Licht“ – und „Laut“ – Prinzip gleichsetzte. Wir finden diese Begriffe und Prinzipien auch in der Psychoanalyse wieder. Gerade in dem von dem franz. Psychoanalytiker J. Lacan umformulierten Trieb-Struktur-Konzept Freuds stehen Wahrnehmungstriebe (Schautrieb) und Äußerungstriebe (Sprechtrieb) im Vordergrund. Der Schautrieb ist jedoch tatsächlich nichts anders als chit, eine Art primäres Bewusstsein, unmittelbares Schauen, noch besser einfach als ein Es STRAHLT bezeichnet. Es STRAHLT heißt, dass etwas primär Visuelles, eine primäre Visibilität in uns stets wirksam ist und in der Bildproduktion des Traums genau so mitwirkt wie in der „Licht“ – Erfahrung einer Meditation. Denn das Bewusstsein ist nichts anderes als ein „umgekehrter Blick“, als eine Reflexion des Sehens. Genau so können wir für die vritis den Sprechtrieb einsetzen, ein Es SPRICHT. „Das Unbewusste“, sagt Lacan, „ist strukturiert wie eine Sprache“, es verhält sich wie ein SPRICHT. Die Kombination dieses STRAHLT und SPRICHT muß tatsächlich in eine Kontrolle gebracht werden, und die In-Beziehung-Setzung von Yoga und Psychoanalyse gibt uns dafür ein einfaches Instrument in die Hand.

Im Surat Shabd Yoga werden wie wohl heute in den meisten Meditationsformen Sanskritformulierungen verwendet. Es leuchtet ein, dass unser von übermässigen Einflüssen überfordertes Bewusstsein durch die Konzentration auf Formulierungen, die uns fremd und sprachlich unbekannt sind, zwar eine gewisse Ruhe erfährt, sich aber dafür auf ein fremdes Glaubenssystem verlassen und mit diesem unbekannten Hintergrund leben muß. Wenn der Satz stimmt, dass das Unbewusste „strukturiert ist wie eine Sprache“, wie sieht denn dann eine derartige Struktur aus? Lacan stützt sich auf die moderne Geometrie (Topologie) und die Linguistik, um zu zeigen, dass mehrfache Bedeutungen in einer einheitlichen Formulierung wie ein Schlüssel zu diesem Problem wirken.

Im Unbewussten sind mehrfache Bedeutungen in einer knotenhaften Verschlingung so verknüpft, dass sie eben nicht direkt bewusst werden können. Erst in der „freien Assoziation“ der Analyse kommen sie heraus und müssen in ihrer wahren Zusammensetzung rekonstruiert werden. Umgekehrt kann man aber in einer Meditation eine derartige einheitliche Formulierung nutzen, weil deren mehrfache Bedeutungen dann die ja gleichermaßen geformte unbewusste Struktur öffnen und so ebenso dem Bewussten zugänglich machen können.

Eine derartige Fomulierung nenne ich FORMEL-WORT und sie ist z.B. in dem lateinischen Ausdruck ARE – VID – EOR gegeben. Von welcher Stelle man diesen Ausdruck auch immer liest, es ergibt sich eine andere Bedeutung.

Zum Beispiel:
A RE VIDEOR Ich werde von etwas gesehen
REVIDE ORA Schau wieder hin, bete!
EVIDE ORAR Erkenne daraus: Ich werde gesprochen!
VIDE ORA RE Schau, sprich, in Wahrheit!
VI DEORARE Mit Kraft voll sprechen
VIDEO RARE Ich nehme ungewöhnlich wahr
IDEO RARE V Deswegen selten Fünf
DE ORARE VI Vom Sprechen mit Überzeugungskraft
DEO RARE VI Dem Gotte gelegentlich mit Kraft
EO RARE VID(E) Dorthin schau selten!
AREVI DEO R Ich bin vertrocknet durch den Gott R.
ORARE VIDE Das Beten (Sprechen) schau an!
ORA RE VIDE Durch die Gegend, durch die Sache,schau!

Diese „mehrfachen Bedeutungen“ mögen zum Teil ganz unsinnig sein, wichtig ist jedoch nur, dass der Aufbau des FORMEL-WORTES rein strukturell klar ist und damit auch verstanden werden kann, wie derartige Formulierungen wirken. Da man sich und sein Bewusstsein in einer Meditation genau so wie beim Sanskritwort nicht an einer bestimmten Bedeutung festmachen kann, gerät man immer tiefer an das Unbewusste heran. Chit und die vritis, das eine rein durch das STRAHLT der stets gleichen Buchstaben gegeben, das andere durch das SPRICHT der mehrfachen Bedeutungen, werden so unter Kontrolle gebracht. Zahlreiche Aspekte des Yoga und der Psychoanalyse (z.B. Präkognition, Sexualität) werden so in diesem Buch wissenschaftlich behandelt, und durch die Übung mit den FORMEL-WORTEN wird auch ein eigenes Meditationsverfahren geboten. Es ist nicht mehr nötig, sich auf religiöse, asiatische oder sonstige Systeme verlassen zu müssen.

 

Yoga und Psychoanalyse, Dr. Günther von Hummel; bestellen:

Yoga and Psychoanalysis: A Scientific Comparison on the Basis of the Life and Teachings of Sant Kirpal Singh

(Übersetzung: Rudolf J. Osler)

Yoga und Psychoanalyse: Leben und Lehren Sant Kirpal Singhs

No pain, no gain!

Unbekannt

You are here: Home Literatur Yoga und Psychoanalyse