Die körperlich kranke Seele


Trotzdem ist – wie betont - die Psychoanalyse als wissenschaftliches Werkzeug sehr wichtig. Sie hat uns gezeigt, dass wir unbewusst auf den Analytiker Bedeutungen übertragen (man nennt diesen Vorgang daher die Übertragung), die meist aus früheren Beziehungen, Konflikten und den Kombinationen von im wesentlichen zwei Grundtrieben, Triebkräften, Grundprinzipien stammen, die beide für sich autonom sind, aber gegen- und miteinander verwoben in uns wirken. Denn diese beiden Triebkräfte (Wahrnehmungs- und Entäußerungstrieb) sind in uns miteinander stark verwickelt, ja geradezu verknotet, und machen so Probleme und ihre Auswirkungen müssen also gelöst und sublimiert werden. Sonst brechen diese Kräfte in Aggressivität und Perversion, in Ideologie, Fanatismus und anderen -ismen ziemlich ungehindert durch, sind aber nicht nur aus gesellschaftlichen Gründen, sondern auch aus ihrer Kombination heraus keine Lösung für das einzelne Subjekt und stellen eben auch keine genügende Sublimierung dar. Sie bleiben roh und unverbindlich.

Diese beiden Triebkräfte bestehen also einerseits in dem von Freud so benannten Schautrieb (Wahrnehmungstrieb), den ich in seiner konkretesten, unmittelbarsten Repräsentanz ein ES STRAHLT nenne. Sämtliche körperlichen Funktionen aber auch verschüttete seelische Erfahrungen werden nämlich in Gehirnfunktionen (wir können auch sagen: im Unbewussten) „gespiegelt“, d. h. es gibt einen „virtuellen Körper“ im Gehirn, eine unbewusste Struktur, die an jeder Krankheit mitwirkt. Neurowissenschaftler erklären uns, dass dieses Virtuelle vorwiegend im Stammhirn – und d. h. hier durch Nervenverschaltungen - repräsentiert ist. Aber eine solche Auffassung ist natürlich typisch „gehirnwissenschaftlich“, denn wie für jede Krankheit eine derartige Nervenverschaltung, aussehen soll, ist nicht zu sagen. Das zutreffende Sagen, das authentische Benennen, das Rhetorische, bleibt auf der Strecke, insbesondere dann wenn man mit psycho-somatischen Störungen anschaulich umgehen will. Trotzdem aber man könnte es sich gut so denken, dass es vereinfacht gesagt auf der einen Seite um die Mitwirkung „spiegelnder“ Vorgänge oder eben noch besser unbewusster seelischer „Spiegelungen“ geht. Diese innerseelischen „Spiegelungen“ oder Oszillationen nenne ich also – eben noch weiter vereinfacht ausgedrückt – ein ES STRAHLT (Es Scheint, Es Oszilliert). Es ist identisch mit dem Wahrnehmungs- oder Schautrieb, den man nicht weiter zerlegen oder messen kann. Und eben deswegen benötigt man andererseits ein zweites Prinzip oder Triebkraft, um sie dieser ersten entgegen zu stellen. Dieses zweite Triebkraft, dieses zweite Grundprinzip, ist also der Entäußerungstrieb (beim Menschen besser Invokations- oder Sprechtrieb genannt ), und ich will ihn ebenso vereinfacht ein ES SPRICHT (Es Verlautet) nennen. In ihm steckt das Rhetorische, das Bedeutungserzeugende, das Symbolisierungen Ermöglichende, also etwas völlig anderes als im ersten Grundtrieb.

Es erscheint dies alles etwas theoretisch, ist aber im Grunde genommen recht einfach und für das Gesamtverständnis dringend notwendig. In diesem Bereich der Psychologie gibt es einfach keine rein objektiven Fakten, keine direkten Objekte, und man muss sich auf derartige ultimative „Kräfte“ verlassen, wie sie die Psychoanalyse erarbeitet hat. Es gibt also einerseits ein Scheinen, „Strahlen“ im Unbewussten, das man virtuell strukturiert nennen oder auch als „Körperbild“, als ein STRAHLT, erfassen kann und das das kathartische Element des Verfahrens darstellen wird. Positive Spiegelung, ein positives „Strahlen“, wird nämlich als reinigend, ja manchmal direkt durch ein inneres Schaudern, Rieseln (also körperbildhaft) erfahren. Zweitens handelt es sich um ein ebenso ursprüngliches „Sich-Verlauten“ im Unbewussten, das man genau so wie ein inneres Sprechen, ein SPRICHT in sich aufgreifen, spüren und somit “entäußern“ kann. In einer klassischen Psychoanalyse kann dieses „Verlauten“ aus dem Unbewussten über die Träume und ihre Deutung, über die sogenannten „freien Assoziationen“ und deren Interpretationen oder über die Erfahrung und Deutung von Fehlleistungen und Versprechern bewusst gemacht werden.

Gib' ihm einen Fisch und er wird für den Tag etwas zu essen haben, bringe ihm das Fischen bei und er wird zeitlebens zu essen haben.

Chinesisches Sprichwort

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