Die körperlich kranke Seele



Es ist exakt dies der Grund, warum man in der Psychoanalyse hier vom „Wiederholungszwang“ (besser: Wiederholungsgeschehen) spricht. Eben in diesen Wiederholungsvorgang wird direkt eingegriffen, indem man ihm selbst in Form wiederholter Übungen gegenüber tritt. Ja, Üben, Lernen, wiederholtes Durcharbeiten, war immer schon ein Gegen-Prinzip zu diesem unbewussten Repetitionsgeschehen. Indem ich in meinen Gedanken das FORMEL-WORT reverberiere, werden die Bewegungen des STRAHLT und das Gemurmel des SPRICHT es umwickeln, umkreisen, durchschlingen, bis eine Antwort gefunden ist. Bis eine neue Struktur, neue Inhalte des „konjekturalen Denkens“, ja, im extremen Fall z. B. etwas von der Art der FORMEL-WORTE sich gebildet haben wird oder das Verfahren weiter entwickelt werden kann. Denn es geht hier um Wissenschaft, an der jeder teilnehmen kann.

Es war auch Freuds Vision gewesen, eine Wissenschaft für jedermann aufzubauen. Dies drückt er vor allem in seinem Artikel über die „Laienanalyse“ aus. Man könnte z. B. bessere FORMEL-WORTE entwickeln oder überhaupt etwas anderes an ihre Stelle setzen, das eben noch besser die Kombinatorik des STRAHLT / SPRICHT klärt und festigt. Man könnte andere Faktoren herausarbeiten, die die Erfahrung des STRAHLT erleichtern, denn natürlich gelingt dies nicht immer so leicht, wenn man es – wie ich hier vorschlage – einfach aus dieser Broschüre heraus versuchen soll. Das gleiche gilt für das SPRICHT. Manche Personen verstehen auf Anhieb einen Satz, den sie „hören“ oder besser „konjektural denken“, während andere dessen Bedeutung nicht ganz verstehen, obwohl sie spüren, dass er ihnen etwas sagt und wichtig ist. Hier könnte man psychoanalytische Ansätze heranziehen wie sie reichlich insbesondere bei Lacan zu finden sind und sie für sich selbst und andere zur Strukturierung des Verfahrens verwenden.

Auch der Meditationslehrer ist ein Übertragungs- und „Deutungs-Objekt“ zugleich. Diese Vermischung ist problematisch und daher muss der Lehrer sie durch zwei Dinge ausgleichen, die heute nicht mehr wissenschaftlichen Ansprüchen genügen oder nicht mehr anzutreffen sind. Erstens muss er eine umfassende Lehre erarbeitet haben (das ist meist nicht so schwierig, denn diese Lehre orientiert sich an dem, was wir seit langem als allgemeine theistische Moral oder Gnosis kennen). Zudem muss er selbst noch eine besonders integre, moralische und überragende Persönlichkeit sein, und eben eine solche findet man heute kaum noch. Aber die Elemente des STRAHLT, SPRICHT und der FORMEL-WORTE wird der Meditationskenner vertraut finden. Hier kann er zudem auch intellektuell mitarbeiten und muss nicht blind einem Guru glauben.

Vereinfacht gesagt ist die Analytische Psychokatharsis nichts anderes als eine (angenehme, „geführte“) Umlenkung des Denkens in Bahnen, die einfach relevanter sind als die, die ich eben gerade als „alltäglich“ bezeichnet habe. Wir leiden an einem zu sehr veräußerlichten, banalen Leben. Viele unserer psychosomatischen Symptome könnte man gut auch so erklären, dass wir kein erfülltes Leben führen. Aber ist dann nicht eine Methode, die uns zwingt, dass wir uns mit uns selber beschäftigen, andererseits uns dabei jedoch auch ein sehr differenziertes, vielschichtiges, gedanklich auch manchmal anspruchsvolles Niveau zuweist, nicht ein ideales Verfahren? Ein Verfahren, um nicht nur die Symptome abzustellen und zu verstehen, sondern auch aus einer allgemeinen Banalität herauszukommen. Das Verfahren muss nicht nur praktisch geübt, sondern auch theoretisch verstanden werden und das heißt, dass man sich vielleicht auch generell über die damit im Zusammenhang stehenden Bereiche belesen muss oder soll. So kann psychoanalytische Literatur hilfreich sein, aber auch allgemeine Kenntnisse in den heutigen Wissenschaften.



Literatur

Empfehlungen für ein weiteres Literaturstudium:
Freud, S., Abriss der Psychoanalyse, Fischer Taschenbuch, 1996
Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse: Das Seminar v. Jacques Lacan, Buch XI (1964) , Walter,1980
Hummel, G. v., Analytische Psychokatharsis: Eine Verbindung von Meditation und Wissenschaft MCS, 2008



Wenn man sich weigert, nichts anderes als das Beste zu akzeptieren, bekommt man es meistens.

Sommerset Maugham

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