Die körperlich kranke Seele



Denn in dieser doppelten Natur des Übertragungs- und „Deutungs-Objekts“, der Aufmerksamkeit und des Wortes, Auftrags des Anderen finden wir exakt die Grundelemente sowohl der Psychoanalyse wie der Meditation wieder. Gedanken tauchen auf und binden uns in neue Gedanken ein. Aber entsprechend der Konzentration der Übungen werden sie immer wieder hindurchgezwungen durch die STRAHLT / SPRICHT – Beziehung einschließlich der psycholinguistischen Vorgaben der FORMEL-WORTE, so dass das Unbewusste mehr und mehr einen tieferen Sinn preisgibt, den man auch das „konjekturale Denken“ in seiner vollen Bedeutung heißen kann. . Körperlich spürbare Phänomene erscheinen nunmehr verstehbar und benennbar, als seien sie im Körperbild eingeschrieben, als erklärten sie ihre Anatomie, indem sie wie „rieselnd“ verspürt werden können.

Ich kann diese Erfahrung durch ein ganz humorvolles Beispiel erläutern: jemand, der diesem Verfahren der Analytischen Psychokatharsis sehr kritisch gegenüberstand, es aber dennoch schon einige Zeit übte, hatte plötzlich den wie von ferne her kommenden Gedanken oder die Eingebung oder vermeinte gar es fast gehört zu haben: „Nichts gesagt!“ Doch im selben Moment realisierte er natürlich, dass gerade sehr wohl etwas gesagt wurde, nämlich die zwei Worte „Nichts gesagt!“ Aber nicht nur dies überzeugte ihn, dass die analytisch psychokathartische Methode doch funktioniert, er verstand jetzt auch wie das Unbewusste konstruiert ist: nämlich oft durch Gegenbesetzungen, durch ein „Andersherum“ zum Bewussten. Denn bewusst war er ja der Meinung gewesen, dass dieses psychotherapeutische Verfahren eigentlich „nichts sagt“, es ist Humbug, Nonsens. Das Unbewusste aber schob ihm im selben Moment eine kleine Offenbarung, eine echte Deutung zu: nämlich dass er einen Widerstand hatte, dass das Unbewusste tatsächlich etwas „Wahres“ sagt, weil es wie ein Wort des Anderen ist, des Anderen in und außerhalb von uns (denn obwohl ihm schon klar war, dass es etwas von ihm, in seinem Inneren war, hatte er doch auch das Gefühl, als habe es ihm ein Lehrer, ein Deuter eingegeben.
So erfahren (gehört) ist es nämlich etwas ganz anderes, als wenn der Übende bei sich selbst nach einiger Zeit kritischen Zweifelns den bewussten Gedanken gehabt hätte: ach, vielleicht ist doch etwas an diesem Verfahren dran. Er wäre durch diese äußere Logik nur sehr schwach überzeugt gewesen. Aber als dies wie von tief heraus, wie fremd aus dem eigenen Inneren, ja genau wie die „Stimme des Objekts“ um das es hier geht, ihm zukommt, ist die Überzeugung eine andere. Plötzlich war aus dem „universalen Gemurmel“ heraus (den Lauten, Klängen, Raunen, etc.) exakt jene Andersheit, wie hörbar herausgetreten. A selbst (innen und außen) hat gesprochen. Das erzeugt Erkenntnis (Analytische) und Psychokatharsis (Befreiung, Reinigung). Dabei hat diese Erfahrung des „Nichts gesagt“ und der Erhellung der dahinter steckenden Bedeutung nichts mit Mystik zu tun. Es ist das Unbewusste, das SPRICHT (und auch in einem gewissen Maße STRAHLT, denn das „Nichts gesagt“ ist eine so kurze, fast bildhafte Formel, ein Blitz, der eben auch ein kathartisches Gefühl erzeugt hat).

Dieses Vorgehen entspricht also auch exakt dem der Meditation und der Psychoanalyse. Wie der Psychoanalytiker so ist das FORMEL-WORT samt dem es einrahmenden STRAHLT / SPRICHT ein ideales Übertragungsobjekt. Es hört zu und nach einer ausreichend langen Zeit gibt es auch eine Bedeutung, eine Antwort heraus. Diese Bedeutung ist in der gleichen Weise aufgebaut wie die Deutung des Analytikers, denn dieses Übertragungs-Objekt, diese Andersheit im Patienten, im Übenden selbst, antwortet nicht einfach auf seinen Anspruch, d. h. befriedigt ihn nicht in banaler Form, speist ihn nicht ab mit einem vordergründigen Trost. Es gibt hier keine direkte Antwort auf der Ebene des Bewussten oder besser: Gewussten oder vordergründiger Ansprüche, sondern vielmehr wirkt bei diesem Verfahren eine Entsprechung auf der Ebene der Kombination der Triebe (STRAHLT / SPRICHT) im Zusammenhang mit dem „linguistischen Kristall“ der FORMEL-WORTE eben im Sinne eines „Deutungs-Objekts“. Und das heißt: jetzt nicht mehr nur eine Entsprechung, sondern eine wirkliche Antwort aus dem Unbewussten. Das ständige Wiederholen der formelhaften Formulierung führt den Anspruch auf den Trieb zurück, und genau dies bewirkt auch die Deutung des Psychoanalytikers. Bei der mentalen Wiederholung der FORMEL-WORTE wird die Bewegung des STRAHLT mit dem Murmeln des SPRICHT so umeinander gewunden, bis eine Antwort gefunden ist.

Nicht erforschtes Leben lohnt nicht gelebt zu werden.

Socrates

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