Pilatus und die wahre Religion

Um der Wirkung und der Person von Jesus gerecht zu werden, ist es vorteilhaft sich diese einmal nicht von der Seite seiner Befürworter und Anhänger, sondern von der seiner Kritiker her anzusehen. Über Judas ist schon viel in dem Sinne geschrieben worden, dass er ein Anhänger der herrschenden saduzäischen Priesterschaft war und ab einem bestimmten Moment glaubte und vielleicht eben ach glauben musste, dass Jesus diese konservative religiöse Richtung total verraten würde. Mit anderen Worten: Judas war in einer ähnlichen Position wie der Mörder Mahatma Gandhis, der der Überzeugung war, dass Gandhi die hinduistische Sache (Religion, Nationalität) zugunsten einer unklaren kofessionsübergreifenden Auffassung über Bord werfen würde.

Gandhis Mörder war ein Hindunationalist, ein fundamentalistischer Kämpfer für den Hinduismus in Religion und Staat. Und eben das Gleiche trifft auch auf Judas zu, der für den Erhalt des traditionell Original-Jüdischen eintreten wollte. Dazu könnte man – und sind als bereits – noch viele weitere Recherchen anführen. Aber ich glaube, dass man mit der Gestalt des Pilatus hier noch viel weiter kommen kann.

Was wohl den meisten völlig unbekannt ist, ist die Tatsache, dass Pilatus sich sehr für religiös-philosophische Grundfragen interessierte. So soll er ständig im Palästina - Land herumgereist sein und Tempelpriester befragt haben, was der Sinn und die Wahrheit ihrer Religion sei. Imme jedoch habe man nur die Hand aufgehalten und ihn gebeten, erst einmal etwas dafür zu bezahlen, dass er eine fundierte Auskunft bekäme. Andererseits ab es natürlich auch genug Scharlatane und selbsternannte Propheten, die schon allein für den Ruhm und eine getreue Anhängerschaft das Reich Gottes predigten.

Es dürfte also für Pilatus schwer gewesen sein, wahre von falschen und echte von Pseudo-Propheten zu unterscheiden. Wenn ihm dann jemand auf die ihm ja geläufige und auch tiefem Interesse gestellte Frage: „Was ist Wahrheit“ nichts anderes entgegnen konnte, als dass sein Reich nicht von dieser Welt sei oder auch auf Fragen gar nichts antwortete, konnte Pilatus wirklich nichts anderes tun als Jesus der Gerichtsbarkeit der Hebräer auszuliefern.

Hätte Jesus nicht sagen können. „Der Schwerpunkt meines Reiches liegt nicht im Äußeren dieser Welt. Es ist vielmehr ein inneres Königtum, zu dem jeder aufgerufen ist. Bist du dir selbst wirklich sicher, der Erste, also der König dieser hiesigen Provinz zu sein?

Wenn ein König glaubt, dass er wirklich König, d. h. der erste, höchste, wichtigste im Staate ist, ist er dann nicht verrückt? Könnte ein Philosoph, ein Asket, ein sich für die Seinen aufopfernder Mensch nicht ebenso den größten Titel verdienen? Statthalter, König, ist nur ein Wort für einen sehr hohen Anspruch, doch wer erfüllt schon wirklich den höchsten aller Ansprüche? Wer ist nicht nur für sich, sondern auch für alle anderen König? Wer ist der König der Könige, der Ultra-Plus, der Summa Summarum?“ Pilatus hätte Jesus freigelassen. Aber es hätte dann wahrscheinlich nie eine christliche Kirche gegeben.

Dr. Günter von Hummel ist Arzt und Psychotherapeut, und hat das Verfahren der Analytischen Psychokatharsis in zahlreichen Kursen und Büchern veröffentlicht.

Literatur
Weiterführende Literatur:
Herzsprache. Eine Psychoanalyse des Herzens
Analytische Psychokatharsis: Eine Verbindung von Meditation und Wissenschaft
Ich liebe, also bin ich: Die Geschichte einer Erotomanie und der Versuch einer Dialektik der Liebe

An letzter Stelle durchs Ziel zu gehen ist nicht schlecht, wenn Würde dabei ist.

Zdenek Zemen

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